Radeln durch Erfundenes | #paminablog

Ich bin mir nicht sicher, ob Offenburg im Paminaland liegt. Mein ICE schiebt sich gerade in den Bahnhof. Ich bin auf dem Weg ins ‚Basislager‘, Zweibrücken, wo das vollgepackte Radel schon wartet, ich mich zwei Tage akklimatisieren werde, am Mittwoch dann endlich losradeln werde zu meiner ‚Expedition des kleinen Mannes‘ rings um dieses noch ziemlich abstrakte Konstrukt namens Paminaland. Eigentlich ist es verrückt. Als ich vor einigen Jahren erstmals von der Paminaregion erfuhr, konnte ich sie mir gar nicht richtig vorstellen. Ich radelte auf einem Radweg namens Paminaradweg, der dem Tal der Lauter und Wieslauter entlang der deutsch-französischen Grenze folgt und wunderte mich über den Namen. Statt nachzuforschen, was Pamina bedeutet, begnügte ich mich damit, eine schöne Gegend auf einem gut beschilderten Radweg zu erkunden.

Erst Jahre später manifestierte sich die von Touristik- und Interessenverbänden erfundene Gegend rings um Pfalz (PA), Nord Alsace (NA) und Mittlerer Oberrhein (MI) als ‚echte‘ Gegend.

Der Zug rast mit 250 Sachen Richtung Karlsruhe. Vermutlich habe ich den ein oder anderen Radweg, auf dem ich nächste Woche im badischen Teil der künstlich geschaffenen Region radeln werde schon überquert. Um es genau zu sagen, der Zug bremst gerade herunter und wir rollen durch den von braunen Schallschutzmauern eingerahmten Bahnhof Baden Baden. Tristgrauer Himmel. Schneeplacken. Rechts die Ausläufer des Schwarzwalds. Industriegebiete. Hochwüchsige Wellblechbauten, ab und zu ein kahler Acker, garniert von den riesigen Lettern irgendwelcher Firmennamen.

Das ist Paminaland. Genauer der Teil MI des dreigliedrigen Landes. Ein erfundenes Land. Aber wurde nicht jedes Land irgendwann von Menschen erfunden? Grenzen definiert. Interessen festgelegt. Ziele und Gemeinsamkeiten ins Auge gefasst. Paminaland hat ungfähr die Form von Österreich. Das Krumme Elsass ragt wie Vorarlberg nach Westen. Kärnten wäre ungfähr bei Baden Baden, Salzburg irgendwo nahe Germersheim und Wien ungefähr an dem äquivalenten Punkt von Pforzheim. Aber halt halt, Pforzheim gehört gar nicht zum Paminaland. Pforzheim dürfte etwa da liegen, wo Bratislava liegt. Alles klar?

Egal. Das Paminaland ist ohnehin flexibel. Eine Karte, die mir letzten Winter von den französischen Kooperationspartnern zur Verfügung gestellt wurden, listet einige Gemeinden, die das Paminaland verlassen haben. Und ganz im Süden kamen stattdessen andere hinzu.

Ich finde das phänomenal. Also nicht etwa, dass Gemeinden kommen und gehen, das ist banal. Normal. Immer so. Phänomenal finde ich, was diese innere Seelenlandnahme mit mir anstellt. Und vielleicht auch mit dem ein oder anderen Mitlesenden. Wie wir unsere Welt mit ihren Grenzen und Wegen und Besonderheiten, den trennenden wie einenden Merkmalen wahr werden lassen. Landmarken, nur eine Kombination verschiedener, willkürlicher Definitionen?

Gerade in einem Land, in dem die bestimmenden Politiker so eng denkend sind, dass sie ein Heimatministerium ins Leben rufen, müsste man sich um die absurde Abstraktion von Grenzen besondere Gedanken machen.

Ich will hier nicht politisch werden. Ich will auch keine Grenzen herbeischreiben. Eigentlich möchte ich nur durch eine Gegend radeln und Land und Leute erkunden.

Fast kommt es mir wie ganz natürlich vor, dass, weil ich etwas beoachte, durchwandere und beschreibe, es erst durch diesen individuellen Akt Gestalt annimmt.

Was wäre das übrigens für eine Welt, die sich durch Beobachten erst manifestiert. Täglich neu und von Angesicht dieses beobachtenden Individuums zu Angesicht jenes beobachtenden Individuums vielleicht völlig unterschiedlich. Statt per starr gewachsenen menschlichen Rechtdenkens festgeschrieben zu werden?

Ich weiß, das ist komplizierter Stoff, den ich gerade roh, mit 250 Sachen, den Schwarzwald entlang rasend, denkend ins winzige Smartphone tippe.

Freue mich auf die neun Tourtage ab übermorgen, in denen diese Gedanken hoffentlch in ruhigere Bahnen kommen.