Tag 4 im Rückblick | #paminablog

Nach einer doch eher recht kühlen Nacht, hat sich heute endlich die Sonne blicken lassen. Um die Mittagszeit kreuzt Irgendlink Haguenau, eine Stadt, die wir beide in den letzten Jahren schon zigmal per Auto in Süd-Nord- und Nord-Süd-Richtung passiert haben. Diesmal durchquert sie Irgendlink bei schönstem Frühlingssonnenschein von Westen nach Osten. Immer Richtung Rhein, verläßt schließlich Frankreich mit der Fähre und erreicht Baden-Würtemberg.

Die Radroute ab Haguenau ist entweder missverständlich ausgeschildert oder hat den Namen Radweg nicht wirklich verdient, schreibt Irgendlink sinngemäß auf Twitter.  Dass ’die Männlein’ dies- und jenseits des Rheins heute offenbar den Frühling spüren, schlägt sich leider nicht selten in hochtourigem Motorlärm nieder.

In der Nähe von Sinzheim, nicht weit von Baden-Baden, hat Irgendlink inzwischen sein Zelt aufgebaut und hat es schön warm.

Das heutige Wegstück könnt ihr hier gucken.

Und ungefähr so sieht das bisher erradelte Paminaabenteuer der letzten vier Tage auf der Karte aus:

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Die folgenden Bildkommentare sind von Irgendlink:

Detail einer mehrere benachbarte Häuser übergreifenden Wandmalerei in Pfaffenhofen. Mit Name des Künstlers vermutlich: Mahler Edgar

An einem weiteren Haus in Pfaffenhofen noch weitere Kunstwerke, die Mahler Edgars Handschrift tragen. Ich fand auf die Schnelle vier derart bemalte Gebäude im Umkreis von einem halben Kilometer.

Bunte Osterbackwaren in einer Boulangerie in Haguenau.

In allen Gemeinden der Gegend sind Straßen und Privatgärten osterlich geschmückt. Hier in der Fußgängerzone in Haguenau.

Panorama in Haguenau.

Vor der Kirche in Drusenheim wird der Platz erneuert.

Die Rheinfähre von Drusenheim nach Greffern fährt ab fünf Uhr früh permanent hin und her. Benutzung gratis.

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Das Rattern der Menschbeurteilungsmaschine | #paminablog

Zeilenhackend im Zelt. Richtung Sonne, schreibs groß, SONNE, rauscht eine Landstraße, vermutlich die Nationalstraße Saverne-Haguenau. Hinter mir säuselt der Bach namens Moder. La Moder oder le Moder, ich weiß es nicht. Auf meiner Reise auf Radwegen rund ums Paminaland habe ich schon viele Flüsschen und Rinnsäler überquert oder folgte ihnen in ihrem über die Jahrhunderte gegrabenen Tal einige Kilometer. Lasst mich nachdenken: begonnen hat die Reise in Zweibrücken am Schwarzbach (wenn man möchte, kann man sogar noch den Bautzenbach dazu rechnen, an dessen im Sommer versiegenden Gestaden mein Atelier liegt). Dann Hornbach, Schwalbach, rüber zur (ich glaube Bickenalb), Blies, Saar, bei Saar-Union überquerte ich in Thal-Drulingen den Muhlbach und folgte ihm bis Berg. Graufthal liegt glaube ich an der Zinsel. Über den Berg gehts steil ins Tal des Zorn, dem man eine Weile folgt bis Saverne, um sodann über den Radweg 2 wieder zur Zinsel du Sud zu radeln und einige Hügel weiter ist man an der Moder, wo ich nun sitze und mich beim Schreiben vom Bach berauschen lasse.

Die Nacht war eiskalt. Gegen vier Uhr begann ich im dicken Schlafsack, den mir die Liebste geliehen hat, zu frösteln. Trotz Seiden-Inlay. Gestern nachmittag schwankte ich zwischen Zelten und einer Unterkunft suchen. Das Wetter hatte sich gebessert. Am westlichen Horizont konnte man spät doch tatsächlich eine Art Sonne erahnen. In Bouxwiller verpasste ich Künstlerkollege Serge, dessen Atelier ich mir gerne angeschaut hätte und ja, vielleicht hätte er sogar ein Zimmerchen für mich gehabt. Aber es war niemand zu Hause (bewusst habe ich nicht schon viel früher einen Termin ausgemacht, denn auf solchen Radtouren kann man – besser, kann ich – schwer einen Zeitpunkt fixieren. Ich bin schon einen Tag hintendran und wenn ich mit Serge einen Treffpunkt ausgemacht hätte, so wäre es vorgestern gewesen. Den Schlamassel möchte ich niemandem antun: warten auf Godot, den Radler, der behauptet, er käme dann und dann).

Wo war ich stehen geblieben? Bouxwiller, ah ja. Feine Elsassstadt. Fachwerkhäuser. Eng. Per Radweg ab Saverne bestens erreichbar. Ab Dossenheim fährt man oft auf ehemaliger Bahntrasse und die Beschilderung ist, nach anfänglichen Lücken, ab kurz hinter Saverne prima. Der Radweg führt auf der Bahnstrecke an Bouxwiller vorbei. Es lohnt ein Abstecher. Es gibt Läden, Restaurants, Imbisbuden. Vor einem Huit à Huit-Lebensmittelladen stand ein Junge, vielleicht dreizehn vierzehn Jahre alt und sprach mich an, als ich den Laden verließ, ob ich vielleicht fünfzig Cent für ihn habe. Ich sagte ja und kramte im Geldbeutel, fand nur Kupfermünzen und etliche Zwei-Euro Stücke. Er wird wohl schlecht wechseln können, dachte ich, und gab ihm einen Zweier. Da strahlte er, bedankte sich auf Englisch und Deutsch und in allen Sprachen und wünschte mir alles nur erdenklich Beste und lief davon. Vielleicht hatte ich ihm einen frühen Feierabend beschert? Vielleicht muss er zu Hause soundsoviel Euro abliefern? Viellleicht ist seine Bettelei eine Mutprobe und die Freunde lauern um die Ecke. Vielleicht kauft er Zigaretten und Alkohol, vielleicht ist er gar Ausländer und gehört einer jener angeblichen Bettelbanden an. Vielleicht hat er es nicht gut im Leben, vielleicht wünscht er sich was und spart darauf, vielleicht wird er gemobbt ob seiner Armut, die man ihm definitiv ansieht. Vielleicht ist es ein Jux? Vielleicht, vielleicht, vielleicht.

Vielleicht kennt Serge ihn und wüsste mehr? Ich jedenfalls nicht. In der Begegnung mit einem Menschen, flüchtig auf der Straße, nur mal so für kurz, kann man nie wissen, wen man vor sich hat und wes Geistes Kind dieser Mensch ist. Ist er ein Guter oder ein Böser, ein Ekel oder ein Darling. Die verzweigten Wege der Spekulation sind zu Beginn einer Begegnung alle offen und klar, aber recht schnell entscheidet man sich für eine Variante und steckt sein Gegenüber in eine Schublade. Es ist verdammt schwer, es nicht zu tun. Es ist verdammt schwer, neutral zu bleiben. Es ist verdammt schwer, keinen Weg einzuschlagen, so verdammt schwer, sich einzugestehen, dass man etwas einfach nicht weiß und dass alles, was man tut, weil man denkt, man müsse doch irgendeinen Weg einschlagen, mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch ist, und man sich doch besser keine Meinung bilden sollte, man einfach einmal stehen bleiben sollte und mit dem Denken und Spekulieren aufhören sollte. Statt sich in einem Geäst aus Möglichkeiten, mutmaßlichen Wahr- und Unwahrscheinlichkeiten zu verlieren.

Ein paar Dörfer weiter werde vielleicht auch ich Opfer einer Spekulation. Ich habe mich kilometerweit bis zu jenen Fremdenzimmern durchgefragt und erreiche bei Dämmerung endlich das feine Elsässer Häuschen mit dem piken Fachwerk und der hellblauen Tünche und den leuchtenden Fenstern, klingele, eine Frau öffnet das Fenster, beäugt mich, macht eine Bemerkung über meine klobigen Schuhe, sagt, vielleicht sei was frei, sie frage nach, schließt das Fenster und ich kann fühlen, wie drinnen die Menschenbeurteilungsmaschine rattert, schwer, mechanisch, mit hölzernen Zahnrädern. Dann öffnet sich das Fenster wieder und die Frau sagt, die Zimmer seien alle belegt, eine Vierergruppe habe sich eingemietet. Ich könne sicher in Pfaffenhofen etwas finden.

Bitte beachtet, dass auch dies schon eine Spekulation meinerseits ist, dass die Dame mich weggeschickt hat, weil ich ein Radler bin, der mit seinen klobigen Wanderstiefeln womöglich Schmutz ins Haus schleppt. Vielleicht waren tatsächlich alle Zimmer ausgebucht.

Fast sechzig Kilometer unterwegs an Tag drei lacht mich ein Wieschen unweit von Pfaffenhofen an. Ein kleiner, stählerner Steg führt über die Moder, kaum 100 Meter entfernt vom Radweg und da ich müde bin und keine Lust habe auf Zimmersuche in Pfaffenhofen, schlage ich das Europennerzelt erstmals auf dieser Tour auf. Der Aufbau dauerte 40 Minuten. Ich bin aus der Übung.

Tag 3 im Rückblick | #paminablog

Die Felswohnungen von Graufthal seien ein Kleinod, twitterte Irgendlink heute Morgen, und träumte von einer Karriere als Felswohnungsblogger.  »Die Kammer, in der einst ‚Fels-Käthe‘ wohnte, soll mein Refugium sein.« Doch schließlich riss er sich los und radelte weiter Richtung Osten.

Später, auf der Straße nach Lutzelbourg, am Rhein-Marne-Kanal entlang, ist es unserm Radler dann doch ein bisschen einsam zu Mute. Doch zum Glück gibts Éclairs. (Pssst, einer der Gründe, warum Irgendlink Frankreich so mag, sind diese pappigsüßen Dinger.)

Das Schloss Saverne sei riesig, twittert er von unterwegs.

Da Künstlerkollege Serge, den Irgendlink spontan heimsuchen wollte, nicht zuhause ist und eine Vermieterin ihn abwies, hat er schließlich beim Eindunkeln das Zelt bei Pfaffenhofen an der Moder aufgebaut.

Das heutige Wegstück könnt ihr hier gucken.

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Die folgenden Bildkommentare sind von Irgendlink:

Die Felsenwohnungen in Graufthal sind teils zweistöckig. Türhöhe kaum 2 Meter. Die Besichtigung kostet 2,5 €.

Bunt angemalte Altreifen in einem Vorgarten muten an wie Beet gewordene Olympische Ringe.

Jedes noch so kleine Dorf hat eine feierlich geschmückte Mairie, eine Ortsverwaltung. Hier Berling nahe Phalsbourg.

Ein verwittertes Gottesdienstschild empfängt einen, wenn man von Phalsbourg abwärts fährt nach Lutzelbourg am Rhein-Marne-Kanal. Der Kanal folgt an dieser Stelle dem schluchtartigen Tal des Zorn.

In einem Unterstand des Clubs Vosgien pausierend mit Blick auf Lutzelbourg. Der Club Vosgien ist eine Wandervereinigung. (https://www.club-vosgien.eu/)

In einer englischen Telefonzelle in Saverne ist eine kleine immer offene Tauschbibliothek eingerichtet.

Ein Einhorndenkmal in Saverne.

Nach anfänglichen Beschilderungsmängeln mausert sich der Radweg Saverne-Haguenau schon kurz hinter Saverne zu einem gut navigierbaren Mittelstreckenweg. Ab Dossenheim folgt er oft einer ehemaligen Bahntrasse. Hier ein Schneckendenkmal am Wegrand.

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Eure Sofasophia

Die Neue Graufthaler Direkte | #paminablog

Wie man es richtig macht, wie man es auch machen könnte und wie ich es letztendlich gemacht habe und warum das eine gute Entscheidung war, davon handelt dieser Artikel. Die Fakten: Standort Bonnefontaine, Bremse kaputt, Zeitverlust, Schlechtwetterfront naht. Schwarzhandoperation am offenen Herzen des Radels. Bremsbacken können ja so widerspenstig sein.

Die sicherlich einfachste Möglichkeit, ab Bonnefontaine das Paminaland weiter auf Radwegen zu umrunden ist, dem Saarkohlekanal zu folgen bis zur Kanalkreuzung mit dem Rhein-Marne-Kanal. Ich bin die Strecke schon mehrfach geradelt. Schöne, geteerte Kanalradwege, die in der Seenplatte um den Stockweiher bei Mittersheim spektakulär mitten durchs Wasser führen. Die Weiher wurden übrigens angelegt, um die Kanäle mit Wasser zu versorgen.

Der Radweg ostwärts am Rhein-Marne-Kanal führt bis etwa Hesse/Schneckenbusch nicht direkt am Kanal, sondern über ungenutzte Sträßchen. Spektakulär wird es in Arzwiller, wo die alte Kanalstrecke durch einen Tunnel und über viele Schleusen (10-20 Stück) durch eine Schlucht nach unten führt. Heute liegen die Schleusen still. Der Radweg ist streckenweise auf Stelzen und Stahlkonstruktion mitten im ausgetrockneten Kanal. Unten bei Lutzelbourg geht es dann weiter bis Saverne, was mein gestriges Tagesziel hätte sein können.

Aber ich habe mich ja für die zweite Variante entschieden, nicht ahnend, dass ich sie nicht umsetzen kann. Ich nenne sie die ‚Neue Graufthaler Direkte‘. Quer durchs Krumme Elsass. Sie ist viel kürzer als die Kanal-Variante. Von Bonnefontaine radelt man am Besten zurück zum Kanalradweg, nach Harskirchen, dann den regionalen Radweg 65, in der Open Cycle Map verzeichnet, bis Saar-Union. Dann den Radweg 64 nehmen, ebenso in der OCM eingetragen, über Thal-Drulingen hinauf nach Drulingen und ab Lohr runter nach Graufthal Oberhof, Phalsebourg, Lutzelbourg et voilà Saverne.

Hier kommt nun das Schicksal ins Spiel, die nackte Realität. Ich fasse noch mal zusammen: Bonnefontaine, Gärtnerhaus eines Châteaus, ungefähr bei Schleuse 16 am Saarkohlekanal, Gemeinde Altwiller, um es präziser zu sagen, etwa 15 Kilometer südwestlich von Sarreunion. Aufwändiges Radelschrauben, Schlechtwetter, elf Uhr komme ich endlich los, kann gerade noch so einen Blick auf das zerfallende Schloss hinter jungknospenden Bäumen werfen, da fallen die ersten Flocken. Schneee. Um abzukürzen nehme ich die gerade Strecke vom Saarkanal nach Diedendorf etwa fünf Kilometer bis zu Flüsschen Saar (muss man sich mal vorstellen, wie weit der Kanal von seinem Wasserspender entfernt ist). Ab dort auf Schreiasphalt und recht forscher D8 ein paar Kilometer bis zum Einstieg des Radwegs 64. Ich müsste nicht nach Saar-Union, aber die Menschen, die ich frage, ‚gibts in Thal-Drulingen eine Bäckerei, Supermarkt, Restaurant, Ir-gend-was, wo man sich mal aufwärmen könnte?‘, sagen alle nein. Was mir einen Schwenk nach Saar-Union aufhalst und, besonders schlimm, anschließend vier Kilometer Nationalstraßenaufwärts bis Thal-Drulingen. Dennoch, das Aufwärmen in einem Schnellrestaurant beim großen Supermarkt war es wert.

Der Rest der Strecke führt über den kaum beschilderten Radweg 64 auf ruhigen Landstraßen. Nicht ganz ohne Berge, aber ich kann die Variante ‚Neue Graufthaler Direkte‘ hiermit empfehlen (all jenen zum Beispiel, die die Kanalstrecke schon kennen, denn die ist ebenso spektakulär vong Landschaft her).

Fazit: es regnete den ganzen Tag und auf den Höhen des La Petite Pierrer Lands, wie ich es flapsig nenne, lag vereinzelt noch Schnee.

Tipp: in Drulingen gibts Läden und Bäckerei. In Graufthal kann man im Hôtel du vieux Moulin nächtigen. Man spricht oft Deutsch.

Heutiger Plan: eventuell ein Stück abschneiden und ab Oberhof quer östlich zum Radweg Saverne-Haguenau, oder eben doch runter nach Saverne, der Vollständigkeit halber und, na ja, das Schiffshebewerk bei Lutzelbourg würde ich mir auch mal gerne wieder anschauen.

Tag 2 im Rückblick | #paminablog

Nach dem sonnigen Tourstart hat heute das Wetter ziemlich verrückt gespielt. Schnee, Regen und Schneeregen haben das Radeln heute anstrengend gemacht. Und kalt. In Sarre-Union hat sich Irgendlink darum einen Sarreburger gegönnt und sich aufgewärmt. Das Krumme Elsass ist übrigens nicht nur geografisch sondern auch topografisch krumm und die Hügel erst! Die haben es in sich.

In einem Café in Drulingen gönnte er darum seinen klammen Fingern und Beinen und dem sich leerenden Handyakku eine Pause.

Bis Graufthal radelte er weiter und fand sein heutiges Nachtlager dort, in der Alten Mühle.

Das heutige Wegstück könnt ihr hier gucken.

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Bilder? Gerne. Die Bildkommentare sind auch heute wieder von Irgendlink:

Der Wald von Bonnefontaine ist größtenteils in Privatbesitz. In regelmäßigen Abständen hängen Schilder an den Bäumen, die das Betreten verbieten.

Ein ‚Burger de la Sarre‘ in der Kantine des Supermarkts E. Leclerc in Saar-Union diente als Trost für den Schneefall und als Stärkung für vier Kilometer Nationalstraßen-Passage bergauf nach Thal-Drulingen.

Thal-Drulingen. Selbst winzige Dörfer haben im Krummen Elsass oft zwei Kirchen.

Restaurant Bellevue im gleichnamigen Weiler liegt nach anstrengendem Anstieg via Berg fast an der Nationalstraße, die über Höhenzüge nach Saverne führt.

Viele zugemauerte oder umfunktionierte Scheunentore zieren die kleinen Dörfer der Gegend.

Ein R4-Kastenwagen. Das ich das erleben darf. Nun kann mir das eklige Wetter gar nix!

Auf den Höhen des ‚La Petite Pierrer Lands‘ pfeift der Wind, nagt Nieselregen wie ein Schwarm Pirhañas, liegt in Mulden manchmal noch Schnee.

Die Felswohnungen von Graufthal, nach vierzig Radelkilometern mein heutiges Ziel (nicht ganz freiwillig, denn ich wollte eigentlich Saverne erreichen). Nun einquartiert im einzigen Hotel des Dorfs mit den zwei Kirchen und 150 Einwohnern.

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Heute in der Zeitung:

Quelle: Die Rheinpfalz vom 22.3.18; mit freundlicher Genehmigung von Andrea Dittgen. Link zur vollständigen Zeitungsseite.

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Eure Sofasophia

Die Pamina-Nordwest-Passage | #paminablog

Diese Stille! Kaum zwei Stunden unterwegs, Luftlinie vielleicht zehn Kilometer entfernt von Zweibrücken und … nichts. Zaghafte Insekten, allenfalls bellt ein Hund und manchmal schlägt die Stunde am nahen Kirchturm von Medelsheim. Ein geteerter Feldweg führt hinauf auf die Kämme, die das Bliestal säumen. Unterzuckerung zwingt mich, eine Pause zu machen. Das Radel steht mitten auf dem Weg und ich mache es mir auf einem Brunnenkopf in der Sonne gemütlich. Die Unterzuckerung spült erste Allmachtsgefühle ins Hirn, ein eigentlich natürlicher Zustand des Wohlbefindens, der sich auf Radtouren hin und wieder einstellt und der einen Dinge denken lässt, die man sonnst nicht denkt, der einen auf neue Gedanken bringt oder wenigstens auf Parallelgedanken, die nur eine Spur neben den ausgetretenen Hauptgedanken laufen und ein Schattendasein in der Unkenntnis führen. Ich esse ein Brot mit Butter, dazu ein uraltes Stück Sbrinz, ein Schweizer Käse, aus dem man schussischere Westen bauen könnte. Ich habe es vor der Abreise in meinem Kühlschrank gefunden.

Warum es hier so still ist, kann ich mir zunächst nicht erklären. Natürlich, das Rauschen der Stadt fehlt, aber da ist noch mehr, besser gesagt, weniger. Die Flieger fehlen. In Zweibrücken hört man immer irgendwelche Flieger, meist Passagierflugzeuge, manchmal auch langanhaltend nachbrennende Militärflieger vom nahen Flugplatz Ramstein. Vermutlich führt über die westpfälzische Kleinstadt eine Flugautobahn. Flightradar würde Auskunft geben.

Doch zurück zu den unterzuckerungsbedingten Allmachtsphantasien: ich stelle mir vor, ich bin hauptberuflicher Radwegetester, ein Beruf, den es meines Erachtens gar nicht gibt, aber in meiner Phantasie wird er plötzlich wahr. Menschen, die Radwege auf Herz und Nieren abklopfen und für andere Menschen eine Bewertung geben. Nach der Pause erreiche ich schon bald ein erstes Testobjekt, den Radweg vis-à-vis, der sich, grob gesagt, grenzübergreifend rings um Saarbrücken und Forbach schlängelt. Eigentlich war er gar nicht in meiner Liste, vielmehr wollte ich ins Bliestal auf die alte Bahntrasse, die ich schon kenne, aber wenn sich dir ein Radweg in den Weg stellt, nimm ihn. Das ungeteerte Etwas führt auf breiten Waldwegen durch lichten Buchenbewuchs. An dieser, meiner Einstiegsstelle, Walsheim Richtung Niedergailbach, ein bissel auf und ab und parallel zum geteerten Bliesweg, der auf einer alten Bahntrasse stetig steigt.

Berauscht vom Licht und den unscheinbaren Attraktionen (siehe Mardelle im Beitrag zuvor), verselbständigt sich die Phantasie und plötzlich bin ich ein kleiner John Franklin auf der Suche nach der Nordwest Passage. Die Irgendlinksche Nordwestpassage des Paminlands. Wie ein paar Artikel zuvor erwähnt, hat das Paminaland um Baden, Pfalz und Nordelsass grob die Form von Österreich. Oder von einer zusammengerollten Katze, die die Vorderfüße weit ausstreckt. Eine Katze, die den Vorarlberg gibt, sozusagen. Es ist schwer, eine Strecke zu finden, die auf Radwegen möglichst nahe der Grenzen des Paminalands einmal rund führt, weshalb ich das Stück zwischen etwa Dahn und Sarreguemines in die Tour mit eingebaut habe, obschon die Gegend gar nicht zur Paminaregion gehört. In meiner Phantasie entdecke ich gerade eine Passage, die das Radelerlebnis richtig rund werden lässt. Im Kasten rechts sieht man eine Karte (bzw. unter diesem Blogeintrag falls Euer Bildschirm sehr klein ist), in der meine geplante Strecke und die benutzten Radwege skizziert sind. Im Krummen Elsass, das der westliche Zipfel von Paminaland ist, gibt es eigentlich nur den Saarkohlekanal-Radweg. Man muss auf externe Wege gehen, um die Lücken zu schließen.

Auch heute klafft wieder ein Loch in meiner Paminarunde. Irgendwie muss ich nach Saverne zum Rhein-Marne-Kanal und ich bin noch unschlüssig, ob ich dem Saarkanal bis zur Kanalkreuzung folge und dort auf den Rhein-Marne-Kanal schwenke, oder ob ich quer durch die Berge fahre und das Kleinod Graufthal besichtige, ein kleines Dorf mit sehenswerten Felsenbauten. Beides hat seine Reize. Die Gegend um die Kanalkreuzung ist geprägt von großen Weihern. Manchmal verläuft der Radweg mitten durch den See. Es gibt Kanalbrücken und Tunnel und bei Lutzelbourg werden die Schiffe in einer Art gigantischer Badewanne den Hang hinaufgezogen (das ersetzt die alte Kanalstrecke, die sich über viele, dicht hintereinander folgende Schleusen den Berg hinauf arbeitete).

Wie auch immer. Ich muss noch ein paar Reparaturen am Radel tätigen, Frühstücken und dann gehts los und dann entscheide ich.

Tag 1 im Rückblick | #paminablog

Welch fulminanter Tourstart! Bei klirrender Kälte und Sonnenschein radelte Irgendlink heute südwärts, umradelte die Saar und ist schließlich im französischen Altwiller gelandet. Nun knistert das Feuer und eben hat er sich was Feines gekocht.

Ja, dank einer Spende kann Irgendlink heute in einer gemütlichen Ferienwohnung nächtigen. Vorhin schrieb er: „Mein Schlafzimmer ist oben. Ein lothringisches Bett.“ Wir dürfen gespannt sein.

Das heutige Wegstück könnt ihr hier gucken.
(Oder hier eher ungefähr auf Guugl.)

Bilder? Gerne. Die Bildkommentare sind von Irgendlink.

Das Stadtor im Klosterstädtchen Hornbach, dem Beginn und Ziel der Radrundreise auf den Radwegen des Paminalands.

Zwischen Hornbach und dem Bliestal überquert man auf regionalen Radwegen etliche ‚Hügel‘. Hier bei Medelsheim (Blieskastel).

Die Mardelle namens Schwefelpfuhl. Mardellen sind Mulden mit wasserundurchlässigem Lehmboden. Manchmal trocknen sie aus. Hier nahe Walsheim (oder -hausen) direkt am interessanten Radweg vis-à-vis, der grenzübergreifend durch Bliesgau, Warndt und Lothringen führt.

Ein Angry Baumstumpf am Saarkanal. Ich sah viele Spuren von Baumfällarbeiten und bin heilfroh, dass der Kanalradweg nicht gesperrt war.

Schleuse 21 unweit von Sarralbe. Noch etliche Kilometer musste ich kurbeln bis zu Schleuse 16, abseits der Bonnefontaine liegt, mein Nachtplatz.

Sonnenuntergang nahe Sarralbe. Die letzte Dreiviertelstunde radelte ich unter Sichelmond und Venus. Es war unheimlich still. Hie und da aufgescheuchtes Wild und schreckhafte Vögel.

Liebe Grüße aus der Homebase
Eure Sofasophia

Auf gehts: Expeditionen ins Paminareich | #paminablog

Underfoot Aufnahme, Weitwinkel, winterlich gekleideter Radler vor weißem barockem Gebäude, der Kamera zugewandt.

Zweibrücken, halb neun. Raureif im Garten. Ich bin heilfroh, dass ich mich gestern durchgerungen habe, ein Ferienhaus in der Nähe von Saarunion zu buchen. Der Ort, Bonne Fontaine, ist mir schon vor Monaten bei meinen Recherchen zum nun beginnenden Blog- Reiseprojekt aufgefallen. Das Gärtnerhaus beim ehemaligen Château Bonnefontaine. Unweit des Saar-Kohlekanals. Der Radweg am Saar-Kohlekanal ist der erste von vielen, die ich im Laufe der nächsten Woche bei meiner ‚Expedition‘ durchs Paminaland ‚testen‘ werde – okay okay, ich kenne das Kleinod ja schon von zwei früheren Radreisen. Als Teilstück des E4, des europäischen Fernradwegs von Rom nach London ist er bestens ausgebaut und asphaltiert. Die Landschaft ein Idyll.

Ursprünglich war geplant, zeltend ums Land zu radeln. Die Eiseskälte und nette Spenden haben mich überzeugt, dass es besser ist, sich freizukaufen von den Ungemütlichkeiten des Reiselebens. Zumal ich etwas aus der Übung bin, da ich seit genau einem Jahr nicht mehr geradelt und radgereist bin.

Ich denke, dass ich gegen zehn elf Uhr losrolle.

Frau SoSo wird die Reise von zu Hause aus als enttippfehlernde Homebase-Fee begleiten.

Radeln durch Erfundenes | #paminablog

Ich bin mir nicht sicher, ob Offenburg im Paminaland liegt. Mein ICE schiebt sich gerade in den Bahnhof. Ich bin auf dem Weg ins ‚Basislager‘, Zweibrücken, wo das vollgepackte Radel schon wartet, ich mich zwei Tage akklimatisieren werde, am Mittwoch dann endlich losradeln werde zu meiner ‚Expedition des kleinen Mannes‘ rings um dieses noch ziemlich abstrakte Konstrukt namens Paminaland. Eigentlich ist es verrückt. Als ich vor einigen Jahren erstmals von der Paminaregion erfuhr, konnte ich sie mir gar nicht richtig vorstellen. Ich radelte auf einem Radweg namens Paminaradweg, der dem Tal der Lauter und Wieslauter entlang der deutsch-französischen Grenze folgt und wunderte mich über den Namen. Statt nachzuforschen, was Pamina bedeutet, begnügte ich mich damit, eine schöne Gegend auf einem gut beschilderten Radweg zu erkunden.

Erst Jahre später manifestierte sich die von Touristik- und Interessenverbänden erfundene Gegend rings um Pfalz (PA), Nord Alsace (NA) und Mittlerer Oberrhein (MI) als ‚echte‘ Gegend.

Der Zug rast mit 250 Sachen Richtung Karlsruhe. Vermutlich habe ich den ein oder anderen Radweg, auf dem ich nächste Woche im badischen Teil der künstlich geschaffenen Region radeln werde schon überquert. Um es genau zu sagen, der Zug bremst gerade herunter und wir rollen durch den von braunen Schallschutzmauern eingerahmten Bahnhof Baden Baden. Tristgrauer Himmel. Schneeplacken. Rechts die Ausläufer des Schwarzwalds. Industriegebiete. Hochwüchsige Wellblechbauten, ab und zu ein kahler Acker, garniert von den riesigen Lettern irgendwelcher Firmennamen.

Das ist Paminaland. Genauer der Teil MI des dreigliedrigen Landes. Ein erfundenes Land. Aber wurde nicht jedes Land irgendwann von Menschen erfunden? Grenzen definiert. Interessen festgelegt. Ziele und Gemeinsamkeiten ins Auge gefasst. Paminaland hat ungfähr die Form von Österreich. Das Krumme Elsass ragt wie Vorarlberg nach Westen. Kärnten wäre ungfähr bei Baden Baden, Salzburg irgendwo nahe Germersheim und Wien ungefähr an dem äquivalenten Punkt von Pforzheim. Aber halt halt, Pforzheim gehört gar nicht zum Paminaland. Pforzheim dürfte etwa da liegen, wo Bratislava liegt. Alles klar?

Egal. Das Paminaland ist ohnehin flexibel. Eine Karte, die mir letzten Winter von den französischen Kooperationspartnern zur Verfügung gestellt wurden, listet einige Gemeinden, die das Paminaland verlassen haben. Und ganz im Süden kamen stattdessen andere hinzu.

Ich finde das phänomenal. Also nicht etwa, dass Gemeinden kommen und gehen, das ist banal. Normal. Immer so. Phänomenal finde ich, was diese innere Seelenlandnahme mit mir anstellt. Und vielleicht auch mit dem ein oder anderen Mitlesenden. Wie wir unsere Welt mit ihren Grenzen und Wegen und Besonderheiten, den trennenden wie einenden Merkmalen wahr werden lassen. Landmarken, nur eine Kombination verschiedener, willkürlicher Definitionen?

Gerade in einem Land, in dem die bestimmenden Politiker so eng denkend sind, dass sie ein Heimatministerium ins Leben rufen, müsste man sich um die absurde Abstraktion von Grenzen besondere Gedanken machen.

Ich will hier nicht politisch werden. Ich will auch keine Grenzen herbeischreiben. Eigentlich möchte ich nur durch eine Gegend radeln und Land und Leute erkunden.

Fast kommt es mir wie ganz natürlich vor, dass, weil ich etwas beoachte, durchwandere und beschreibe, es erst durch diesen individuellen Akt Gestalt annimmt.

Was wäre das übrigens für eine Welt, die sich durch Beobachten erst manifestiert. Täglich neu und von Angesicht dieses beobachtenden Individuums zu Angesicht jenes beobachtenden Individuums vielleicht völlig unterschiedlich. Statt per starr gewachsenen menschlichen Rechtdenkens festgeschrieben zu werden?

Ich weiß, das ist komplizierter Stoff, den ich gerade roh, mit 250 Sachen, den Schwarzwald entlang rasend, denkend ins winzige Smartphone tippe.

Freue mich auf die neun Tourtage ab übermorgen, in denen diese Gedanken hoffentlch in ruhigere Bahnen kommen.

Gehe nicht über ‚Los‘ – ziehe keine 4000 Tweets ein | #paminablog

Schatten einer Radfahrers im Profil auf gelbgrünem Straßenrand.

Langsam aber sicher geht das Paminablog in die aktive Phase über. Sprich, es ist vermehrt mit Blogbeiträgen zu rechnen. Den Start der Fahrradtour habe ich auf den kommenden Mittwoch verlegt. Frühlingsanfang. Nur drei Tage später als ursprünglich geplant. Das Radel steht gepackt in der heimischen Scheune. Alle Foto- und Schreibapps sind up to date. Einem Leben unterwegs nach den strengen Regeln des iDogma (erledige alle literarischen und künstlerischen Arbeiten auf dem winzigen Bildschirm deines iPhones), steht nichts mehr im Wege.

Das Blog nimmt  eine ganz unerwartete Wende. Hatte ich ursprünglich ein hochgezüchtetes Tourismusblog geplant mit einem Rattenschwanz an finanzkräftigen Sponsorinnen und Sponsoren im Hintergrund, Suchmaschinenoptimierung, pi, pa und po, wird es nun ein gewohnt legères, freies Literatur-Kunst-Reiseblog.

Sprich, Monsieur le Irgendlink bleibt seiner Seele treu, geht nicht über Los, zieht nicht 4000 DM ein.