Karlsruhe, aber nur in der Phantasie und mit Blut gepinselt | #paminablog

Wenn das Paminablog ein Drehbuch von Stephen King wäre, würde es vermutlich in einer uralten Villa spielen, in der der Held, moi-même, halb verrückt von allmöglichen Erscheinungen heimgesucht würde. Von der Decke tropfte Blut, halbdurchsichtige Kinder kämen durch die Wände und Spieluhren würden, ohne, dass sie jemand aufgezogen hat, verzerrte Kinderlieder dudeln. Überall an den Wänden wäre mit roter Farbe das Wort KARLSRUHE gepinselt. Karlsruhe 36 Kilometer hier, Karlsruhe 32 Kilometer da, Karlsruhe 28 Kilometer, Karlsruhe 33 Kilometer und so weiter.

Schnitt.

Pforzheim habe ich bisher immer als eine Stadt ganz nah bei Stuttgart wahrgenommen, als eine Autobahnausfahrt der A8. Als von Hügeln umgebenes Etwas, wie dafür geschaffen, auf dem Weg nach Bayern in die Ferien daran vorbeizurauschen, möglichst hoffend, dass keine Verkehrsmeldung den Namen der Stadt noch zusätzlich hervorhebt. Achtung, auf der A8 kommt Ihnen zwischen der Auffahrt Pforzheim Nord und Woanders ein Fahrzeug entgegen. Fahren Sie bitte äußerst rechts und überholen sie nicht.

Doch zurück zum Radfahren und zu Karlsruhe.

Als mir der Wirt der Linde zu Dobel am Morgen steckt, dass der Ort 720 Meter hoch liegt und dass ich womöglich auf fast 1000 Metern Höhe war, als ich den Nordschwarzwald überquerte, bin ich schon ein wenig stolz. Die Anstrengung steckt mir aber noch in den Muskeln, weshalb ich zunächst auf der Landstraße bis ins Enztal radele, anstatt die womöglich auf und ab führenden Radwege Schwarzwaldradweg und Schwarzwälder Höhenweg zu nehmen, die an diesem Abschnitt deckungsgleich verlaufen.

Der Sparvertrag an Höhenmetern, den ich im Schwarzwald aufgenommen habe, wird mir endlich ausbezahlt. Im Enztal komme ich gut voran, schwenke in Pforzheim auf den Radweg Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee (HSB) und erhalte ein recht hübsches Gesicht des bisher immer nur vom Vorbeifahren gekannten Städtchens. Ganz wichtig: es liegt an der Enz und nach Karlsruhe sind es 36 Kilometer, steht irgendwo auf einem Radweg-Hinweisschild. Nach ein wenig Kletterei erreicht man ein kahles, belandwirtschaftetes Hochland mit jungkeimenden Feldern und braunen Äckern. Nordwestwind nagt an den Nerven und der Hochnebel drückt eine gewisse Tristesse ins Gemüt und auf allen Radwegschildern steht, wie weit es bis Karlsruhe ist. Das ist geradezu unheimlich und veranlasst die zarte Radlerseele in eine Horrorfilmphantasie abzudriften.

Bis etwa Bauschlott. Dort ist der Karlsruhe-Spuk vorbei und ich folge den Hinweisen nach Bretten. Rasant abwärts durch Buchenwald, eine phantastische Strecke. Bretten ist wunderschön, und ich sehr froh, dass das Kleinod auf meiner großen Pamina-Umrundung liegt. Fachwerk, Stille, Cafés und auch sonst alles, was das Herz begehrt. Noch etwa fünfzehn Kilometer folge ich dem HSB, bis ich mich über die regionalen Routen KS20 und KS05 Richtung Kraichtal aufmache. Odenheim ist mein Ziel. Die Passage quer über den Kraichgau durch Unter- und Oberöwisheim ist die Wucht. Natur pur. In Oberöwisheim schenkt mir ein Paar, das gerade einen Baum pflanzt, eine Flasche Wasser. Die Begegnung war ebenso herzig wie morbid. Ich hätte nämlich beinahe gefragt, ob sie eine Leiche vergraben wollen oder einen Baum pflanzen. Ein Rest Vernunft hat mich von diesem Scherz abgehalten.

Ich habe mich aufs Wildzelten eingestellt. Von Westen drücken dunkle Wolken. Der Versuch, in Unteröwisheim ein Zimmer zu finden scheiterte an Faulheit (erstes von mehreren Gästehäusern war ausgebucht und ich wollte nicht weiter suchen). In Oberöwisheim gibt es nichts. In Odenheim im Ochsen vermietet man keine Zimmer mehr. Beim örtlichen Heilpraktiker, der eine Ferienwohnung zu vermieten hat, war niemand zu Hause und Tiefental mit seinem feinen, nicht billigen Hotel war dem Herrn Irgednlink zu weit ab vom Schuss. Kurzum, gleich am Ortsrand von Odenheim steht nun das Europennerzelt. Die Nacht war kalt. Abends regnete es. Der Talnebel lichtet sich.

Nachdem ich diesen Artikel gepostet habe, werde ich packen und losradeln.

Eine Twitterfreundin nahe Germersheim hatte spontan und unbekannterweise gestern Abend angeboten, dass ich bei ihnen übernachten könne. Und das ist doch mal ein Tagesziel, oder?

Tag 6 im Rückblick | #paminablog

Nach einer Nacht im Gasthaus radelt Irgendlink heute weiter Richtung Pforzheim, um den Enztalradweg zu erkunden. Von der gestrigen Bergtour noch erschöpft, ist er froh, dass die Radwege hier wieder besser ausgebaut und beschildert sind. Für eine Weile folgt er anschließend dem Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee-Radweg Richtung Norden. Und ja, auch heute geht es hügelig weiter – diesmal aber eher abwärts.

In Östringen hat er für diese Nacht sein Zeltlager aufgeschlagen.

Das heutige Wegstück könnt ihr hier gucken.

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Die folgenden Bildkommentare sind von Irgendlink:

Aus der Bilderserie ‚Du kommst hier nicht rein‘, die ich seit einigen Jahren pflege, hier ein eher humoriges Motiv. Die Tür des Seitenflügels des Gasthofs Linde in Dobel.

Wegen der gestrigen harten Etappe auf Forstwegen bis auf fast 1000 Meter hinauf (die Info zur Höhe gab mir der Wirt der Linde), scheue ich den Radweg, der sich westlich der Landstraße schlängelt und fahre stattdessen auf wenig befahrenen Straßen Richtung Neuenbürg an der Enz. Diese Variante ist durchaus okay. Ich empfehle jedoch denjenigen, die Paminaland im Uhrzeigersinn erfahren, die Radwege zu nehmen, da es am Abschnitt Enztal-Dobel ohnehin bergauf geht. Im Bild Kirche in Dennach.

In Neuenbürg hat man eine Hauswand mit einem großen roten Herz bemalt.

Ein Schild, das vielleicht von Umweltaktivisten aufgehängt wurde, weist aufs 14.000 km von Pforzheim entfernte Weddelmeer in der Antarktis hin.

Karl-Henning Seemann schuf diese ‚Männliche Figur‘, die seit 1986 die Fußgängerzone in Pforzheim ziert. Das Kunstwerk wurde durch Spenden finanziert.

Brettern mit seinen wundervollen Fachwerkhäusern ist unbedingt sehenswert. Hier ein Panorama aus dem Zentrum.

Unweit des Bahnhofs Brettern steht vor einer Baufirma diese alte Straßenwalze.

Ortsausgangs Brettern gibt es eine Vorstadt-Sparkassenfiliale mit sehr charmanter Holzfassade.

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Liebe Grüße aus der Homebase
Eure Sofasophia

Der Badische Knoten | #paminablog

Gerade erreicht mich eine E-Mail, die die fehlende Beschilderung der Radwege und die Umleitungsstrecken zwischen Haguenau und Drusenheim bei der Rheinfähre erklärt: ab Frühling wird es einen nigelnagelneuen grenzübergreifenden Rundkurs zwischen Elsass und Baden geben. Zitat aus der Mail (Danke, Herr Ilzhöfer, für die schnelle Information):

„Die Radstrecke Radeln ohne Grenzen wird bis Mitte Mai komplett überarbeitet, weswegen seit geraumer Zeit keine aktive Bewerbung mehr stattfindet. Es wird ein 94 km langer Rundkurs in Zusammenarbeit mit den französischen Kollegen entstehen. Auf deutscher Seite bleibt die Strecke weitestgehend identisch, auf französischer Seite hingegen gibt es einen komplett neuen Verlauf. Des Weiteren wird es einen neuen Namen geben („PAMINA-Rheinauen Süd“) sowie ein neues Routenlogo.“
Ende des Zitats.

Da muss ich wohl noch einmal vorbeischauen. Ich bin schon sehr gespannt.

Doch zurück nach MI (ich kam gestern Abend in den Genuss eines Flammkuchens schwäbischer Art und bin nun verunsichert, ob ich noch in Baden bin oder schon in Schwaben. Leuten von auswärts dürfte die Baden-Schwaben-Verwechslung ohnehin geläufig sein und somit scheren sie beide Länder über einen Kamm …)

Wie auch immer.

Schon vor Reisebeginn wollte ich einen Artikel schreiben über die Radwege am Mittleren Oberrhein, also hier in Baden (oder/und Schwaben 😀), augenzwinkernd mit dem Titel der Badische Knoten. Zu viele verschiedene Radwege hatte ich in meine Runde ums Paminland einkompiliert, als dass sich da noch einen Überblick finden lässt. Im ersten Artikel des Blogs gibt es hierzu eine Liste und in der Wegekarte rechts neben diesem Artikel erkennt man das Dilemma ja auch.

Die Navigation ist entsprechend abenteuerlich und nun, da ich mitten drin stecke im Badischen Knoten, kann ich empfehlen, dass es am besten ist, nach Ortsnamen zu navigieren und den grün-weißen Radwegschildern zu folgen. Grob sind dies ab Greffern am Rhein Lichtenau, Bühl, Baden-Baden, Kuppenheim, Rastatt. Je mehrere Radwege bieten sich als Möglichkeit. Meist auf ruhiger Straße oder als Begleitweg an Straßen. Die Gegend ist dicht besiedelt.

Meine gestrige, zweite Zeltnacht war eiskalt. Mehrmals wachte ich auf und heizte das Zelt mit dem Spirituskocher. Schwitzhüttenfeeling für eine halbe Stunde. So bin ich froh, dass frühmorgens ein Mann in der Kleingartensiedlung werkelt, neben der ich gezeltet habe und mir ein Bäckereicafé in Sinzheim empfiehlt. Vorkirchgängliches Treiben. Noch ist es ruhig in der Bäckerei. Aber sobald die Gottesdienste enden, wird es bestimmt voll.

Als ich die Bäckerei verlasse, ist die Straße gesperrt und um die Ecke hat sich eine Gemeinde versammelt. Menschen strömen aus allen Gassen in die Richtung, hey und klar, es ist Palmsonntag. Alle tragen Zweige und Grünzeug, feierlich gekleidet. Der Beginn einer Prozession. Der Pfarrer sagt durchs Mikrofon an, dass man mit Lied 219 beginne, Zwei eins neun, wiederholt er. Gut hundertfünfzige Leute stehen am Platz. Ich schlängele mich durch und radele nach Baden-Baden, verirre mich ein paar Kilometer stadteinwärts, finde den Weg wieder nach Kuppenheim. Abstecher zum Schloss Favorite, einem alten Lustschloss mit riesigem Park (den hatte ich übrigens auf der Karte als möglichen Wildzeltort ausgemacht 😉)

Endlich die Murg. Ziemlich breiter, eingedämmter Fluss. Im Hintergrund droht der Schwarzwald. Ob es eine gute Idee war, nach etwa fünfzehn Kilometern auf der Tour de Murg den Schwarzwaldradweg ab Gernsbach nach Norden zu nehmen? War es nicht.

Zunächst beginnt es jedoch äußerst idyllisch durch den Gernsbacher Kurpark stets aufwärts auf einem meist geteerten Weg ins Igelbachtal. Loffenau als Ziel. Ab dort wirds eklig. Der Radweg verläuft einige Kilometer auf der Straße, die, Sonntag-sei-Dank, von hunderten Sonntagsausflüglern befahren ist. Falls man sich über die gute Luft in der Gegend wundert, die Stickoxide sind jetzt alle in meiner Lunge. Wahrscheinlich radelt sichs auf der etwa vier Kilometer langen Straßenpassage wochentags ganz entspannt. Schließlich schlägt sich der Radweg aber ins Niemandsland jenseits der Straße nach Bad Herrenalb, aber nun kommt es ganz dick: unendlich aufwärts unendlich steil. Irgendwann diagnostiziert das GPS 698 Meter Höhe. Der Forstweg ist nun verschneit. Ich muss schieben. Aus acht Kilometern bis zu meinem Ziel Dobel, die ich normalerweise trotz der Steigung in weniger als einer Stunde geschafft hätte, werden zwei Stunden oder gar mehr. Immer wieder muss ich das Fahrrad schieben, rutsche ich im Schneematsch umher.

Heilfroh, dass ich dann gegen 19 Uhr endlich das Dorf erreiche und mich in einem Gasthaus einmieten kann. Zum Abendessen gibt es Flammkuchen schwäbische Art. Statt Zwiebeln und Speck ist er mit Blut- und Leberwurst belegt.

Tag 5 im Rückblick | #paminablog

Ein Sonntag wie aus dem Radtourenbuch. Heute hat sich Irgendlink  nach einigen Herausforderungen einen Weg durch die Schwarzwälder Berge erradelt.

„Das Fahrrad glänzt im Gegenlicht. In Nordmulden liegt Schnee. Tauwasser sammelt sich, läuft ab, plätschert. Ein Zitronenfalter irrt umher.“ So twitterte er heute Nachmittag vom Schwarzwaldradweg.

Im Gasthof zur Linde in Dobel hat er sich für diese Nacht ein Zimmer genommen.

Das heutige Wegstück könnt ihr hier gucken.

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Die folgenden Bildkommentare sind von Irgendlink:

Der vermutlich höchste Punkt meiner Reise ist der Weithäusleplatz ca. fünf Kilometer südlich von Dobler. Ab dem Murgtal bei Gernsbach gings nur bergauf bis dahin. Geschätzt ca. 800 Meter hoch.

In Kuppenheim stößt meine Pamina-Rundroute auf den Radweg Tour de Murg, der entlang der Murg über Gaggenau in den Schwarzwald führt. Beängstigend drohen die Berge und geben mir das Gefühl, in eine Falle zu radeln. Leider soll dieses Gefühl nicht trügen.

In Oberndorf kurz vor Gaggenau hütet die gestrenge Frau Sauhirtin etliche Schweine. Ich lasse es mir nicht nehmen, auf den Bronzen ein Selfie zu machen. In Gedanken an den Zweibrücker Sauplacken auf dem Hallplatz, der eine ganz ähnliche Konstellation zeigt.

Die Murg hat über die Jahrtausende harten Fels ausgewaschen. Am sandigen Ufer wächst Gras und liegt allmögliches Treibgut.

In Gernsbach an der Murg zieren bunte Schaufensterpuppen das Straßenbild.

Dann wirds happig. Welpenschutz genießend fährt der Schwarzwaldradwegradler durchs idyllische Igelbachtal nach Loffenau, um sodann auf hoch von Motorrädern und Cabrios frequentierter Straße vier Kilometer aufwärts radelnd gemartert zu werden. Doch nicht genug. Eine Waldstrecke, an deren Beginn nicht umsonst ein Schneekettenpflicht-Schild steht, bringt abartige Steigungen, denen man nur mit Schieben begegnen kann. Bei der Plotzsägmühle (Suchmaschinenempfehlung) bietet eine Bachquerung die Chance zum Schuhe reinigen.

Die Höhenmeter gehen ins Land. Ab etwa 700 Metern liegt in den Nordmulden Schnee. Das Rad mit den schmalen Tourenreifen muss ich kilometerweit aufwärts schieben, was die Tagesetappe beängstigend längt. Ich bin mutterseelenallein.

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Liebe Grüße aus der Homebase
Eure Sofasophia

Welcome To The Copa Pabana | #paminablog

Gestern habe ich den ersten Teil des dreiteiligen Tourismus-Kunst-Ländchens Pamina ‚fertig‘ erkundet. NA. Das steht für Nord Alsace, also das Nord-Elsass. Die Stadt Haguenau liegt ungefähr im Zentrum. Zwei wichtige Radwege erschließen den Nord Alsace-Teil von Paminaland. Saverne-Haguenau: sehr gut. Klasse beschildert, schöne Streckenführung. Sowie Haguenau-Bühl-Baden Baden-Rastatt. Miserabel. Ein Fake-Radweg, den man meines Erachtens aus der Not heraus vom Reißbrett zusammengeschustert hat. Schon alleine die Streckenführung ab Haguenau via Kaltenhouse bis Oberhoffen durch dicht besiedeltes Gebiet auf Departementsstraßen, die – ich hatte ja Glück, war samstags unterwegs – wochentags sicher hochfrequentiert sind, sind ein Hohn. Schmale Möchtegern-Radwege, die nur optisch vom Kraftverkehr getrennt sind, buhlen mit verwurzelten Etwassen um die Gunst gehetzter Radler. Ab Oberhoffen sur Moder gibt es einen in der Open Cycle Map verzeichneten Weg über geteerte Feldwege bis Drusenheim. Keine Beschilderung. Schön: man sieht schon die Kulisse des Schwarzwalds. Es gibt einen Radweg, der in weitem Bogen nordwärts aus Haguenau hinaus und auch nach Drusenheim führt, als Nummer neun in der Karte der Radwege des Bas Rhin verzeichnet, der mir tauglicher scheint, der aber auch länger ist.

Fazit für den Abschnitt NA des Paminalands: Super Radwege, tolle Gegend, viel zu sehen. Wären da nicht die etwa dreißig Kilometer von Haguenau bis zur Rheinfähre, die man einfach nur erlogen hat, um einen Radweg auf dem Papier vorweisen zu können. Richtig mies ist vor allem die etwa zehn Kilometer lange Strecke Haguenau-Oberhoffen.

Dann Baden. Die kostenlose Fähre bringt mich schnell über den großen deutschen Fluss, genannt der Vater. Nun bin ich im Abschnitt MI des Paminalands. MI steht für Mittlerer Oberrhein, grob gesagt Baden. Es könnte auch BA heißen, denke ich rheinaufwärts nach Greffern kurbelnd. Steifer Wind aus Nordwest. Dritter Gang. Kiesweg auf Rheindamm. Schiffsbrummen. Spaziergänger. PABANA. Copa Pabana. Damm damm. Weine nicht, wenn die Sonne scheint. Und das tut sie.

Die Orientierung ist mäßig, mühsam, fast wie Bildhauerei. Die Zeit ist reif, einen offiziellen Pamina-Rundweg nach Irgendlink auszuschildern, phantasiere ich selbstherrlich, berauscht kurbelnd. Inklusive meiner Nordwestpassage.

Nach und nach meißele ich mir die mutmaßliche Strecke zurecht, nachdem ich mir die Karte aus dem Blog (hier rechts neben dem Text, bzw. ganz unten bei Smartphoneansicht) angeschaut habe. Es könnte sein, dass ich den Schildern nach Lichtenau folgen muss, und ach ja, da auf dem Schild steht ja nun Bühl drauf und bald schon navigiere ich auf ruhigen Landstraßen und auf straßenbegleitenden Radwegen Richtung Baden-Baden, bin plötzlich auf einem als ‚Rhein‘ gekennzeichneten Radweg, der streckengleich mit dem Ortenauradweg läuft und schwupp, kurz vor Baden-Baden umrunde ich Sinzheim. Zwei bärtige Wirte geben mir in einem Gasthaus namens Adler Wasser und bei einem Sportplatz überlege ich, das Zelt aufzubauen, wäre da nicht gerade ein Fest im Sportlerheim. Ich überlege zu fragen, hey, darf ich im Südtor das Zelt aufstellen, aber dann entscheide ich mich, zurückzuradeln zu einer Kleingartensiedlung, wo das Zelt nun unter einem alten Kirschbaum steht. Die Autobahn rauscht unermüdlich. Ab und zu donnert ein ICE. Es ist drei Uhr zwanzig.

Während ich den Artikel schrieb, wurde die Uhr umgestellt.

Radeln durch Erfundenes | #paminablog

Ich bin mir nicht sicher, ob Offenburg im Paminaland liegt. Mein ICE schiebt sich gerade in den Bahnhof. Ich bin auf dem Weg ins ‚Basislager‘, Zweibrücken, wo das vollgepackte Radel schon wartet, ich mich zwei Tage akklimatisieren werde, am Mittwoch dann endlich losradeln werde zu meiner ‚Expedition des kleinen Mannes‘ rings um dieses noch ziemlich abstrakte Konstrukt namens Paminaland. Eigentlich ist es verrückt. Als ich vor einigen Jahren erstmals von der Paminaregion erfuhr, konnte ich sie mir gar nicht richtig vorstellen. Ich radelte auf einem Radweg namens Paminaradweg, der dem Tal der Lauter und Wieslauter entlang der deutsch-französischen Grenze folgt und wunderte mich über den Namen. Statt nachzuforschen, was Pamina bedeutet, begnügte ich mich damit, eine schöne Gegend auf einem gut beschilderten Radweg zu erkunden.

Erst Jahre später manifestierte sich die von Touristik- und Interessenverbänden erfundene Gegend rings um Pfalz (PA), Nord Alsace (NA) und Mittlerer Oberrhein (MI) als ‚echte‘ Gegend.

Der Zug rast mit 250 Sachen Richtung Karlsruhe. Vermutlich habe ich den ein oder anderen Radweg, auf dem ich nächste Woche im badischen Teil der künstlich geschaffenen Region radeln werde schon überquert. Um es genau zu sagen, der Zug bremst gerade herunter und wir rollen durch den von braunen Schallschutzmauern eingerahmten Bahnhof Baden Baden. Tristgrauer Himmel. Schneeplacken. Rechts die Ausläufer des Schwarzwalds. Industriegebiete. Hochwüchsige Wellblechbauten, ab und zu ein kahler Acker, garniert von den riesigen Lettern irgendwelcher Firmennamen.

Das ist Paminaland. Genauer der Teil MI des dreigliedrigen Landes. Ein erfundenes Land. Aber wurde nicht jedes Land irgendwann von Menschen erfunden? Grenzen definiert. Interessen festgelegt. Ziele und Gemeinsamkeiten ins Auge gefasst. Paminaland hat ungfähr die Form von Österreich. Das Krumme Elsass ragt wie Vorarlberg nach Westen. Kärnten wäre ungfähr bei Baden Baden, Salzburg irgendwo nahe Germersheim und Wien ungefähr an dem äquivalenten Punkt von Pforzheim. Aber halt halt, Pforzheim gehört gar nicht zum Paminaland. Pforzheim dürfte etwa da liegen, wo Bratislava liegt. Alles klar?

Egal. Das Paminaland ist ohnehin flexibel. Eine Karte, die mir letzten Winter von den französischen Kooperationspartnern zur Verfügung gestellt wurden, listet einige Gemeinden, die das Paminaland verlassen haben. Und ganz im Süden kamen stattdessen andere hinzu.

Ich finde das phänomenal. Also nicht etwa, dass Gemeinden kommen und gehen, das ist banal. Normal. Immer so. Phänomenal finde ich, was diese innere Seelenlandnahme mit mir anstellt. Und vielleicht auch mit dem ein oder anderen Mitlesenden. Wie wir unsere Welt mit ihren Grenzen und Wegen und Besonderheiten, den trennenden wie einenden Merkmalen wahr werden lassen. Landmarken, nur eine Kombination verschiedener, willkürlicher Definitionen?

Gerade in einem Land, in dem die bestimmenden Politiker so eng denkend sind, dass sie ein Heimatministerium ins Leben rufen, müsste man sich um die absurde Abstraktion von Grenzen besondere Gedanken machen.

Ich will hier nicht politisch werden. Ich will auch keine Grenzen herbeischreiben. Eigentlich möchte ich nur durch eine Gegend radeln und Land und Leute erkunden.

Fast kommt es mir wie ganz natürlich vor, dass, weil ich etwas beoachte, durchwandere und beschreibe, es erst durch diesen individuellen Akt Gestalt annimmt.

Was wäre das übrigens für eine Welt, die sich durch Beobachten erst manifestiert. Täglich neu und von Angesicht dieses beobachtenden Individuums zu Angesicht jenes beobachtenden Individuums vielleicht völlig unterschiedlich. Statt per starr gewachsenen menschlichen Rechtdenkens festgeschrieben zu werden?

Ich weiß, das ist komplizierter Stoff, den ich gerade roh, mit 250 Sachen, den Schwarzwald entlang rasend, denkend ins winzige Smartphone tippe.

Freue mich auf die neun Tourtage ab übermorgen, in denen diese Gedanken hoffentlch in ruhigere Bahnen kommen.