Auf Radwegen rund um Paminaland – neun Tage Vélodiversitée

Der Kreis schließt sich. Über 500 Kilometer habe ich in den Beinen, seit ich vor acht Tagen zur Fahrradtour ums Paminaland gestartet bin. Mein Zelt steht in einem Fichtenwald am Rande des Gewerbegebiets Hauenstein. Die B10, die auf der anderen Seite der Queich an Felsen vorbei führt, macht einen Höllenlärm. Tag und Nacht. Dennoch habe ich gut geschlafen auf etwas abschüssigem Platz im Moos unter den strammen Fichten. Die Nacht war nicht so kalt wie die anderen Nächte im Zelt. Es regnet nicht mehr. Nebliger Morgen. Aber im engen Tal erkennt man schon einzelne Lücken im Dunst, sogar ein bisschen Himmelsblau.

Bis nach Hornbach sind es noch siebzig Kilometer und von dort noch fünfzehn bis nach Zweibrücken. Eigentlich könnte ich den direkten Weg entlang der Queich bis Hinterweidenthal nehmen und ab dort hinüber in die Täler der Rodalb und des Schwarzbaches und im Nachhinein, muss ich eingestehen, es wäre besser gewesen. Fast durchgängig, ohne auf Straßen fahren zu müssen, führen Radwege bis zum Zweibrücker Herzogplatz.

Meine Route jedoch nutzt die westlichen Radwege des Paminalands – schließlich ist das künstlich konstruierte, grenzübergreifende Tourismusgebilde ja auch Hauptthema dieses Blogberichts. Ab Hinterweidenthal mündet der Queichradweg in den Pamina-Lauter-Radweg, der via Dahn und Wissembourg nach Lauterbourg am Rhein führt und dabei, mehrfach die Grenze wechselnd, dem Bach Wieslauter folgt. Ich bin den Weg schon öfter geradelt. Er ist sehr zu empfehlen, hat kaum Steigungen und führt vorbei an typisch roten Felsen des Wasgaus – jene waldig felsige Gegend um Pirmasens und Dahn – und durch malerische Dörfchen. Ein ganz besonderer dieser roten Felsen, ist der Teufelstisch bei Hinterweidenthal, fast direkt an den Radwegen gelegen.

Meine Route quert jedoch kurz vor Dahn südwärts über den Biosphärenradweg. Das ist ein vierzig Kilometer langer Rundweg zwischen Dahn und Fischbach. In Fischbach kann man in einem Baumwipelpfad die Biosphäre erkunden und lernt etwas über die Baumwipfelwelt.

Weiter gehts westwärts über den Hornbach-Fleckenstein-Radweg, leider ein ziemlicher Reinfall. Ich hätte es wissen können. Bis etwa Vinningen ist der Radweg recht tauglich, auch wenn er schon auf dieser Strecke einige Kilometer Straßenpassage bereit hält, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen, da die Sträßchen (zumindest wochentags) nicht stark befahren sind. Beim Eselskopf zwischen Ludwigswinkel und Eppenbrunn überquert man die Wasserscheide Mosel/Rhein. Einer von drei markanten Anstiegen dieser Etappe. In Eppenbrunn steht in der Ortsmitte eine beeindruckende Relief-Karte, die die ‚Hügel‘ und Täler der Umgebung plastisch darstellt. Am happigsten dürfte das Stück von Eppenbrunn ins 441 Meter hoch gelegene Vinningen sein, immer noch gut abseits der Straße radel- bzw. schiebbar.

Ab dem Sportplatz Vinningen exsistiert der Radweg aber nur noch auf dem Papier. Über eine deutlisch stärker frequentierte Höhenstraße gehts stets leicht abwärts via Bottenbach und Großsteinhausen ins Hornbachtal. Schade. Diese nur etwa acht Kilometer verderben den schönen Fernweg zwischen der Ruine Fleckenstein und dem Pirminius-Städtchen.

Als ich gegen 18 Uhr nach neun Tagen Rundkurs ums Paminaland endlich Hornbach erreiche, bin ich überglücklich. Lasse die Tour im Café des örtlichen Wasgau-Marktes bei Kaffee und Kuchen ausklingen und spinne an einem Reiseführer herum, den ich über das Paminaland schreiben könnte. (Könnte, könnte Altersrönte).

Natürlich darf eine Berechnung der Wegstrecke in Hornbacher Ellen nicht fehlen. Das uralte Längenmaß ist schließlich in der Klostermauer verewigt. Eine Hornbacher Elle misst 67 Zentimeter. Fast eine Million Ellen habe ich auf meiner Radtour ums Paminaland zurückgelegt.

Fazit zur Pfalz: Der PA-Abschnitt im PAMINA-Land ist der landschaftlich abwechslungsreichste und reizvollste. Die Radwege führen allesamt in sanft steigenden oder fallenden Bachtälern. Ab und zu muss man zwei drei Kilometer weit steil bergan kurbeln, um vom einen Tal ins andere zu kommen. Dominant ist der rote Fels, die Burgen, die Buntsandsteingebäude in den malerischen Dörfern.

Und wenn ich sage, PA sei am Schönsten, so meine ich, MI ist am Schönsten, wie auch NA am Schönsten ist. Im Grunde kann man es halten wie in der Schlussszene des Monty Python Films Leben des Brian: Ich bin Brian! Nein ich bin Brian! Nein ich bin Brian und meine Frau ist auch Brian!

Kurzum und somit mein Fazit fürs gesamte Paminaland: der Velodiversitée sei Dank erlebt man drei Regionen im Herzen Europas hautnah und radelt auf meist guten Radwegen vorbei an wie auf einer Perlenschnur augefädelten Sehenswürdigkeiten. Vielfalt und Abwechslungsreichtum kennzeichnen die große Paminarunde.

Neun Tage sind für die Strecke ein bisschen knapp, wenn man noch einige Abstecher machen will, oder sich ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen möchte. Sportlich ambitionierte Radler könnten die Strecke jedoch in ein bis zwei Tagen bewältigen (oder stattdessen in einem Stadion 600 Kilometer lang rund fahren :-))

Dehäm in de Palz | #paminablog

Vom Kraichgau zum Rhein und vom Rhein zum Wein. Mit den beiden vergangenen Tourtagen Nummer sieben und acht der Pamina-Rundtour, sieht man auf der Gesamt-Tourkarte, die Frau Sofasophia skizziert hat, wie sich der Kreis langsam schließt. Mittlerweile habe ich über 500 Kilometer in den Beinen. Die Radtour ist äußerst abwechslungsreich und es gibt viel zu sehen, was mich vor einigen Tagen zu einem Tweet veranlasste, in dem ich die Worte Vélodiversitée und Radfaltigkeit ins Spiel brachte. Wobei ich die Vélodiversitée von dem Wort Biodiversitée abgeleitet habe, das ich – wenn ich mich recht erinnere – erst 2010 irgendwo in Frankreich auf einem Umweltschutzplakat gelesen habe. Es dauerte dann noch ein paar Tage, bis ich ein geeignetes Wort auf Deutsch fand: Radfaltigkeit. Ich habe also nichts Besonderes erfunden. Dennoch: ich liebe solche Wortfindungen. Eigentlich lief meine Pamina-Umradelung bis zum vorgestrigen Tag prima nach Plan. Ich habe alle Themen- und Fernradwege aus meiner Tourskizze gefunden, befahren, auf Herz und Nieren getestet. Bis … nunja, der Kraichgau-Hohenlohe-Radweg mündet kurz hinter Kronau in den Rheintal-Radweg, den ich für fünf Kilometer nehmen müsste, um die Schönborn-Route nach Waghäusel zu treffen. Ich Schussel nehme aber die Rheintal-Route nach Norden, statt nach Süden und verirre mich auf regionalen Wegen bis Waghäusel. Erst dort vorm Schloss sehe ich erstmals ein Hinweisschild auf die Schönborn-Route. Meine verirrte Variante war aber auch nicht schlecht.

Diese Verirrung verdeutlicht aber das Problem, das zu viele verschiedene Radwege bei Fernreisenden verursacht: es ist schlicht verwirrend, vor einer Infotafel zu stehen, in der alle möglichen Wege als Knäuel von Rund- und Themenkursen gelistet sind. Schön wäre die Beschilderung einer großen Paminarunde. Auch die vielen Rheinradwege, die von Nord nach Süd im Rheintal verlaufen, verwirren sicher den einen oder anderen Fernreisenden zwischen Nordkap und Gibraltar.

Wie auch immer. Der Teil Mittlerer Oberrhein des Paminalands besteht den Stresstest dennoch. Sehr abwechslungsreiche Gegend zwischen tausend Meter hohen Bergen und lieblich geschwungenen Hügeln und mit dem großen Vater Rhein im Gepäck kann sowieso nichts schief gehen. Übernachtet habe ich bei vorher persönlich unbekannten Twitterfreunden zwischen Bruchsal und Germersheim. (Dankeee Ihr Lieben, es war schön bei Euch).

Am Morgen gehts über die 605 Meter lange Rudolf-von-Habsburg-Brücke in die Pfalz. Da die Zeit knapp ist, fahre ich gleich nach Norden weiter auf dem Rheinradweg (dem linksrheinischen, nicht zu verwechseln mit dem rechtsrheinischen, sowie dem Rheintal-Radweg, alles klar?) In Germersheim hätte ich mir zu gerne einmal das Straßenmuseum angeschaut. Aber es läuft ja nicht weg.

Kurzes Stück Landstraße ab Lingenfeld, dann bin ich auch schon wieder auf Themenradwegen, die mich durch Kraut und Rüben vom Rhein zum Wein führen. Die heißen tatsächlich Kraut-und-Rüben-Radweg und Vom-Rhein-zum-Wein. Beide Wege sind in der Open Cycle Map verzeichnet. Die versprochenen Infotafeln, die einem Lehrreiches über Wurzeln, Kohl und Riesling verraten, finde ich nicht, übersehe sie entweder, oder bin zu wenig Strecke gefahren auf den Wegen, die durch Felder und Weingärten in Richtung Osten führen.

Mitten im Schwegenheimer Wald steht neben dem Radweg ein Steinkreuz. Doch noch eine Infotafel. Dass es sich um ein Massengrab handelt und dass es derer viele in der Gegend gibt. Der Legende nach alte römische Massengräber, was jedoch nicht stimmt. Die Gräber sind aus dem frühen 18. Jahrhundert. Sie wurden von den Bewohnern der umliegenden Dörfer angelegt, um die Toten einer Schlacht zu begraben. Düsternis und Regen droht. Mir läuft es kalt den Buckel runter und ich sinniere über die Begriffe ‚vor langer Zeit‘ und ‚in alten Zeiten‘ als kaum noch deutbare Zeitangaben in mündlichen Überlieferungen. Die Verwechslung beider Begriffe hat angeblich zur Legendenbildung der Römergräber geführt.

Garstig drohende Bergkulisse voraus. Wie Schwarzwald, aber eine Spur lieblicher. Krasser Gegenwind bremst mich im recht ebenen Land auf 12 km/h. Etwas südlich ist ein Loch in der Pfälzerwald-Kette zu erkennen. Dort, in der Nähe von Landau, hat sich die Queich in Jahrtausenden Schufterei ein veritables Bett gegraben. Der Queichtalradweg (der eigentlich bis Germersheim führt und den ich morgens als direkten Schnellweg nach Hause hätte nehmen können), ist mein Ziel. Bei Siebeldingen erreiche ich ihn nach einiger Auf- und Abkletterei auf dem Radweg Deutsche Weinstraße.

Gegen vierzehn Uhr hört der Wind auf und Regen setzt ein. Es ist beruhigend, zu wissen, dass man nun an einer Bahnstrecke entlang fährt mit Bahnhöfen alle fünf bis zehn Kilometer, an denen man mitsamt Radel und Gepäck einsteigen und innerhalb einer guten Stunde daheim sein kann. Für einen Moment liebäugele ich damit. In Annweiler ist erst einmal Kaffeepause in einer Café-Bäckerei angesagt. Ich jongliere mit diversen Möglichkeiten: Ein Zimmer in Annweiler mieten, weiterfahren nach Wilgartswiesen, Hauenstein, Hinterweidenthal, irgendwo zelten, sogar der Campingplatz am Neudahner Weiher scheint geöffnet. Alles ist möglich. Ich könnte sogar mit der Bahn nach Hause fahren und am nächsten Tag wieder zurück wie ein Berufspendler. Es sind noch etwa 80 Kilometer bis Zweibrücken, wenn ich der Route in meinem Roadbook folge. In Wilgartswiesen stehe ich in unradelbarem Regenschauer kurz davor, eine Pension zu nehmen. Es gibt sogar zwei Hotels im Ort. Oder das Atelier von Künstlerfreund Peter Padubrin-Thomys in der Alten Hauptstraße? Nein, er ist leider nicht zu Hause. So viele Möglichkeiten, aber in meinem Kopf hat sich längst die Idee des Wildzeltens breit gemacht. In der letzten Tournacht. Sozusagen der Ehre wegen. Und dafür spricht auch der helle Streifen im Westen unter der bösen Regenwolke.

Kurz hinter Hauenstein, wo sich in den letzten dreizehn Jahren ein riesiges Gewerbegebiet entlang Bahnlinie und B10 gebildet hat, finde ich einen schönen Zeltplatz unter Fichten. Nur die Bundesstraße ist mit ihrem ewig malmenden Verkehr ziemlich nervig. Eine Wunde im Pfälzer Wald. Und nun, da ich dies tippe, wird mir klar, dass es ohne diese Straße vermutlich auch keinen Radweg gäbe.