Karlsruhe, aber nur in der Phantasie und mit Blut gepinselt | #paminablog

Wenn das Paminablog ein Drehbuch von Stephen King wäre, würde es vermutlich in einer uralten Villa spielen, in der der Held, moi-même, halb verrückt von allmöglichen Erscheinungen heimgesucht würde. Von der Decke tropfte Blut, halbdurchsichtige Kinder kämen durch die Wände und Spieluhren würden, ohne, dass sie jemand aufgezogen hat, verzerrte Kinderlieder dudeln. Überall an den Wänden wäre mit roter Farbe das Wort KARLSRUHE gepinselt. Karlsruhe 36 Kilometer hier, Karlsruhe 32 Kilometer da, Karlsruhe 28 Kilometer, Karlsruhe 33 Kilometer und so weiter.

Schnitt.

Pforzheim habe ich bisher immer als eine Stadt ganz nah bei Stuttgart wahrgenommen, als eine Autobahnausfahrt der A8. Als von Hügeln umgebenes Etwas, wie dafür geschaffen, auf dem Weg nach Bayern in die Ferien daran vorbeizurauschen, möglichst hoffend, dass keine Verkehrsmeldung den Namen der Stadt noch zusätzlich hervorhebt. Achtung, auf der A8 kommt Ihnen zwischen der Auffahrt Pforzheim Nord und Woanders ein Fahrzeug entgegen. Fahren Sie bitte äußerst rechts und überholen sie nicht.

Doch zurück zum Radfahren und zu Karlsruhe.

Als mir der Wirt der Linde zu Dobel am Morgen steckt, dass der Ort 720 Meter hoch liegt und dass ich womöglich auf fast 1000 Metern Höhe war, als ich den Nordschwarzwald überquerte, bin ich schon ein wenig stolz. Die Anstrengung steckt mir aber noch in den Muskeln, weshalb ich zunächst auf der Landstraße bis ins Enztal radele, anstatt die womöglich auf und ab führenden Radwege Schwarzwaldradweg und Schwarzwälder Höhenweg zu nehmen, die an diesem Abschnitt deckungsgleich verlaufen.

Der Sparvertrag an Höhenmetern, den ich im Schwarzwald aufgenommen habe, wird mir endlich ausbezahlt. Im Enztal komme ich gut voran, schwenke in Pforzheim auf den Radweg Heidelberg-Schwarzwald-Bodensee (HSB) und erhalte ein recht hübsches Gesicht des bisher immer nur vom Vorbeifahren gekannten Städtchens. Ganz wichtig: es liegt an der Enz und nach Karlsruhe sind es 36 Kilometer, steht irgendwo auf einem Radweg-Hinweisschild. Nach ein wenig Kletterei erreicht man ein kahles, belandwirtschaftetes Hochland mit jungkeimenden Feldern und braunen Äckern. Nordwestwind nagt an den Nerven und der Hochnebel drückt eine gewisse Tristesse ins Gemüt und auf allen Radwegschildern steht, wie weit es bis Karlsruhe ist. Das ist geradezu unheimlich und veranlasst die zarte Radlerseele in eine Horrorfilmphantasie abzudriften.

Bis etwa Bauschlott. Dort ist der Karlsruhe-Spuk vorbei und ich folge den Hinweisen nach Bretten. Rasant abwärts durch Buchenwald, eine phantastische Strecke. Bretten ist wunderschön, und ich sehr froh, dass das Kleinod auf meiner großen Pamina-Umrundung liegt. Fachwerk, Stille, Cafés und auch sonst alles, was das Herz begehrt. Noch etwa fünfzehn Kilometer folge ich dem HSB, bis ich mich über die regionalen Routen KS20 und KS05 Richtung Kraichtal aufmache. Odenheim ist mein Ziel. Die Passage quer über den Kraichgau durch Unter- und Oberöwisheim ist die Wucht. Natur pur. In Oberöwisheim schenkt mir ein Paar, das gerade einen Baum pflanzt, eine Flasche Wasser. Die Begegnung war ebenso herzig wie morbid. Ich hätte nämlich beinahe gefragt, ob sie eine Leiche vergraben wollen oder einen Baum pflanzen. Ein Rest Vernunft hat mich von diesem Scherz abgehalten.

Ich habe mich aufs Wildzelten eingestellt. Von Westen drücken dunkle Wolken. Der Versuch, in Unteröwisheim ein Zimmer zu finden scheiterte an Faulheit (erstes von mehreren Gästehäusern war ausgebucht und ich wollte nicht weiter suchen). In Oberöwisheim gibt es nichts. In Odenheim im Ochsen vermietet man keine Zimmer mehr. Beim örtlichen Heilpraktiker, der eine Ferienwohnung zu vermieten hat, war niemand zu Hause und Tiefental mit seinem feinen, nicht billigen Hotel war dem Herrn Irgednlink zu weit ab vom Schuss. Kurzum, gleich am Ortsrand von Odenheim steht nun das Europennerzelt. Die Nacht war kalt. Abends regnete es. Der Talnebel lichtet sich.

Nachdem ich diesen Artikel gepostet habe, werde ich packen und losradeln.

Eine Twitterfreundin nahe Germersheim hatte spontan und unbekannterweise gestern Abend angeboten, dass ich bei ihnen übernachten könne. Und das ist doch mal ein Tagesziel, oder?

5 Antworten auf „Karlsruhe, aber nur in der Phantasie und mit Blut gepinselt | #paminablog“

  1. Huuuuch! ich habe gar nicht realisiert, dass es einen Schlenker in unsere Richtung gibt. Sollten wir gut auf dem Weg liegen, parke dich und dein Rad gerne bei uns! Gibt Suppe und Frühstück 🙂

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